Schwarz, breit und stark: der “Über-Einser” von Forge Motorsport

Kurz vor der Grenze zu Wales liegt die englische Stadt Gloucester, die dem einen oder anderen für den seltsamen Brauch des “Käserollens” ein Begriff ist. Ein typischer englischer Spleen und dieser Käse interessiert uns überhaupt nicht. Wenn wir Nerds Gloucester hören, sirren die Alarmglocken. Die Stadt ist die Heimat von Forge Motorsport, einer der größten “Performance-Schmieden” Englands und die Briten haben einen Über-Golf gebaut und was für einen!

Ohne Zweifel dieser Golf zaubert einfach ein Lächeln ins Gesicht. Endlich wieder ein VW Golf 1 der ein echtes Sportprogramm präsentiert. Und was für eines! Dieser VW ist ganz großes Kino und dem Ursprungsgedanken des Tunings treu geblieben, nämlich ein Auto technisch so zu verbessern, um sich nicht mehr mit dem Kompromiss der Großserienproduktion zufriedengeben zu müssen; wo doch meist das Controlling der Entwicklungsabteilung einen Strich durch die Rechnung macht. Dieser “Einser” ist eine Fahrmaschine, eine echte Fahrmaschine – ohne Abstriche.

Für manche Puristen ist es zwar ein Sakrileg einen 1,8T in einen Golf 1 einzusetzen, aber der Zweck heiligt die Mittel. Viele performance-orientierte Golf-1-Liebhaber rüsten seit Jahren auf den 1,8T-20V um, schließlich zählt er zu den robustesten und leistungsfähigsten Vierzylindermotoren der VAG-Motorenpalette. Bevor aber der AGU-Block in den Golf 1 einzog, wurde der 150 PS starke Motor in seine Einzelteile demontiert und neu aufgebaut.

Das ellenlange Datenblatt liest sich wie mein Wunschzettel an den “20V-Weihnachtsmann”; angefangen mit einer 2.0 TFSi-Kurbelwelle über JE Piston Schmiedekolben in einem auf 2.008 ccm Hubraum aufgebohrten Block und über neue Pleuel von Integrated Engineering, Mahle Motorsport Pleuellager, ARP Stehbolzen und und und …

Garniert wird das Ganze mit einem Nortech Ansaugkrümmer, Jenvey 70 mm Drosselklappe und dem Owen Developments GBT-5465-HTA Turbo. Ganz klar, in den Motorumbau floss jede Menge Know-how und Hardware von Forge Motorsport wie etwa der Ladeluftkühler, die ab dem Turbolader montierte Auspuffanlage oder die Airbox.

Ebenfalls direkt bei Forge wurden der Ölkühler, Catchtank und das wassergekühlte, externe Wastegate gefertigt. Ja, die Engländer sind noch einige der wenigen in der Branche, die einen großen Teil ihrer Hardware selbst fertigen.

Die erwähnten Komponenten sind eigentlich nur ein kleiner Teil der ganzen Motormodifikationen, die natürlich nicht nur alle schön anzuschauen sind, sondern auch für mächtig Dampf an der Kette sorgen.

Der mit einer ziemlich umfangreichen Kohlefaser-Diät abgespeckte Golf sieht fast so schnell aus, wie er tatsächlich ist. Sein aufgebohrter und aufgeladener Motor leistet je nach Ladedruck zwischen 450 PS und 500 PS. “Aktuell haben wir uns aber dafür entschieden den Ladedruck zu drosseln und cruisen mit 350 PS”, so Peter Miles von Forge Motorsport. “Genug für den Golf 1.” Das glaube ich gern. Dank des Sperrdifferenzials von Wavetrac kommt die Kraft dabei auch auf die Straße; wobei auch das Fahrwerk nicht ganz unschuldig sein soll.

Beim Fahrwerk haben die Briten sich für ein KW Competition 2A Rennsportfahrwerk (KW V3 Racing) in einer Auslegung für Bergrennen entschieden. Ähnlich wie bei einem KW Gewindefahrwerk V3 kann auch hier die Druck- und Zugstufe unabhängig eingestellt werden.

Das schwarz-goldene Livree ist natürlich an den legendären John Player Special Formel 1 Lotus aus den Siebzigern angelehnt. Die Türen sind nicht etwa mit Karbonfolie beklebt, sondern dem Diktat des Leichtbaus folgend natürlich aus einem Kevlar-Kohlefasergewebe gefertigt.

Aber jetzt endlich mal raus aus den heiligen Hallen und an die frische Luft mit dem nur 740 Kilogramm leichten Golf, der im Grunde eine Evolution des auf der “Autosport International 2012” präsentierten “Berg-Golfs” ist.

Die Frontschürze, Kotflügelverbreiterungen und Seitenschweller basieren auf HR Engineering Motorsportteilen aus den Niederlanden, die die Briten aus Kohlefaser neu anfertigten.

 

Auch der anschraubbare Diffusor sowie die gesamte Heckklappe sind aus Karbon; genauso das Dach mit Hutze, Heckflügel oder die Außenspiegel. Tuning mit Herz und vor allem mit viel Verstand.

Aber ein wenig “Disco” kam dann doch noch in Form von Rotiform Felgen an Bord. Die dreiteiligen GTB mit ihrem polierten Felgenbett und dem Stern in “Tequila Sunset” messen 9 x 15 Zoll und sind rundum mit Toyo Proxes R888 in 225/45 ummantelt.

Bei der Bremsanlage handelt es sich an der Vorderachse um eine Forge Sechskolbenanlage samt 280 mm großen Scheiben. An der Hinterachse montierten die Briten eine Golf 2 Bremsanlage mit Tarox Scheiben und Belägen.

Für ein Schmunzeln sorgt der Racetech Thermometer Aufkleber auf den vorderen Bremssätteln; aber der Thermo Test-Strip hat natürlich an dem “Berg-Golf” seine Daseinsberechtigung.

Dann linse ich mal durch die Markolonscheiben ins Innere des Forge Motorsport Golf und bettle bei Peter, ob ich mal auf eine kleine Spritztour mit dem VW darf. “Leider nicht”, grinst Peter Miles. “Wir wissen, wie Du fährst und Dein Punktekonto auf dem Festland aussieht.” Einfach nur toll, wie die Kollegen einfach nicht die Klappe halten können.

Das Sechsgangschaltgetriebe (VW O2M) hat Forge mit einer G60-Schwungscheibe und einer Sachs-Kupplung ausgerüstet. Geschaltet wird über eine Forge Motorsport Schaltkulisse und auch der Hebel der hydraulischen Handbremse ist eine Sonderanfertigung.

Die Tilton Stehpedale haben den großen Vorteil, dass sie individuell auf die Beinlänge der verschiedenen Fahrer eingestellt werden können. Bei der montierten Version werden die Pedalkräfte in die hydraulischen Zylinder gedrückt – hätte ich auch gerne; obwohl ich eigentlich nur meinen Wagen selbst fahre …

Da ich aber neulich mit dem Golf nicht fahren konnte, hat mir Peter ein 360°-Onboard-Video geschickt. Vor kurzem hatte der Golf auf dem “Castle Combe Race Circuit” seinen ersten Auslauf. Naja, da es wieder zum Regnen anfing, musste das Shooting wieder in den Hallen fortgesetzt werden.

Das leer geräumte Interieur ist natürlich auf Racing pur ausgelegt worden und zur passiven Sicherheit wurde ein Überrollkäfig samt Flankenschutz von “Custom Cages” eingeschweißt. Das Tacho ist von Race Technology und seitlich wurden noch weitere Zusatzinstrumente angesetzt.

Extra für Renntaxifahrten wurde der Golf mit zwei Cobra Schalensitzen ausgerüstet, damit auch der eine oder die andere ihre helle Freude an dem “Berg-Golf” hat …

https://youtu.be/hZKJRrJllzI

Aber vielleicht kommt der Golf ja auch dieses Jahr nach Deutschland, denn das Glasbachrennen in Thüringen würde bestimmt die ideale Spielwiese für den Einser sein.

Das wäre schon der Hit den VW an einem Bergrennen außer Wertung starten zu sehen und vielleicht ist dann Peter bereit mich auf abgesperrter Strecke fahren zu lassen, oder ich darf wenigstens als Beifahrerballast mit; dem Walter ging ich ja damals auch nicht auf den Geist, als ich ihn immer nur nach seinen Gruppe-B-Zeiten fragte …

Fotos Nick Williams (NWVT.co.uk Professional Automotive Photography And Design)
Text Nick K. Hofmeister

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