Tage wie diese – ein ganz persönlicher Rückblick zum FIA Hill Climb Masters in Gubbio

Was war das für ein grandioses Motorsportfest beim FIA Hill Climb Masters im italienischen Gubbio! Für die Krone des Hill Climb reisten 170 Rennwagen aus 21 Nationen in die umbrische Stadt am Fuße des Monte Ingino im Apennin.

Zur Freude der zahlreichen Fans war unter dem abwechslungsreichen Teilnehmerfeld auch der legendäre “Georg Plasa BMW 320 Judd V8”! Nach dem spektakulären Auftritt beim Goodwood Festival of Speed im Sommer 2018 war eigentlich gar kein weiterer Einsatz des “Never-Forget-Tribute-To-Georg-Plasa-KW-Teams“ geplant.

Aber der Husarenritt Jörg Weidingers im Garten von Charles Gordon-Lennox, 11. Duke of Richmond in Goodwood schlug nicht nur aus sportlicher Sicht weltweit Wellen. Das Erbe Georg Plasas lebt einfach weiter fort und war durch den spektakulären Auftritt in Großbritannien wieder in aller Munde.

Anfang September erhielt das Team von der FIA eine offizielle Einladung zum Hill Climb Masters in Italien. Dazu konnten wir einfach nicht Nein sagen. Wer könnte das denn schon? Vor allem war das für uns die Gelegenheit den längst zur Ikone des Bergrennsports gewordenen BMW 320 Judd V8 wieder vor italienischer Kulisse zeigen. Wenn Euch Georg Plasas Name geläufig ist, wisst ihr, dass der oberbayerische Motorsportler 2011 bei einem Bergrennen mit seinem BMW 134 Judd tödlich verunglückte. Klaus Wohlfarth, Gründer und Geschäftsführer von KW automotive, war ein enger Freund von Georg und dessen Tod war für ihn wie für die Familie von Georg, Freunden und der gesamten europäische Bergrennsport-Community ein schwerer Schicksalsschlag.

Für alle unter Euch, die den Mythos Georg Plasa nicht so auf dem Radar haben, versuchen wir einmal in Worte zu fassen, warum Georg so besonders war. Aber gleich vorweg, die Worte können Georg einfach nicht gerecht werden. Zu sehr war Georg im Cockpit ein Teufelskerl und im Fahrerlager und abseits der Rennstrecke, ein herzensguter Mensch mit immer einem offenen Ohr für Fans und Mitstreiter am Berg.

Georg Plasa lebte für den Bergrennsport und war jemand, der nie nur an sein Team oder an sich als Fahrer dachte. Viel mehr setzte er sich für die Belange und Nöte der Bergsport-Community ein. Daneben war Georg ein echter Pionier für den Motorsport und im speziellen für den bodenständigen Bergsport. Bereits Ende der Neunziger Jahre begann der gebürtige Münchner die Entwicklung von Bergrennwagen in der Tourenwagenklasse auf ein technisches Niveau anzuheben, das vorher viele für unmöglich hielten.

Als Renn-ABS, Traktionskontrolle, sequentielle Getriebe, Antriebs- und Kardanwellen aus Kohlefaser sich erst langsam auch im Tourenwagensport durchsetzten, begann er, diese damalige Hightech-Technologie in seinem BMW E36 im Breitensport einzusetzen. Auch war Georg der erste am Berg, der einen aus dem Prototypenmotorsport stammenden 3,4-Liter-Judd-KV675-V8 einsetzte.Seine Tipps und Erfahrungen behielt Georg dabei nicht nur für sich, sondern ließ die Bergrennsport-Familie an seinen Erfahrungen und Tipps teilhaben. So konnte in seinen Augen der gesamte Sport davon profitieren und die motorsportliche Bergwelt blieb weiterhin wettbewerbsfähig untereinander. Ein einmaliger Kerl mit dem Herzen am rechten Fleck.

Damit die Erinnerung nach seinem Tod an ihn nicht verblasst, beschloss Klaus Wohlfarth dessen alten 320 als motorsportliches Andenken zu bewahren und irgendwann wiederaufzubauen. Zu sehr hatte er Bedenken, dass jemand Georgs ehemaligen BMW 320 Judd V8 nur als Teilespender nutzen würde. Aber das ist eine andere Geschichte, die ihr natürlich auch auf unserem KW automotive Blog findet. Genug in Erinnerungen geschwelgt, schließlich schaute auch Georg immer nach vorne und so war es für Klaus und Jürgen Wohlfarth natürlich eine Ehrensache der Bitte der FIA nachzukommen und samt dem “Never-Forget-Tribute-To-Georg-Plasa-KW-Team” nach Italien zu reisen.

Das Tolle daran, auch ehemalige Urgesteine aus Georg Plasas Ex-Team und Freunde wie Martin Burmeister, Andreas Weber sowie Bergrennkollege Jörg Weidinger sagten natürlich sofort zu. Neben der Erinnerung an Georg und seine Freundschaft zu ihm, verbindet uns alle doch eine große Liebe zum Motorsport und im Besondern für den Bergsport – eine Leidenschaft, mit der die Veranstalter der FIA Hill Climb Master wohl nicht rechneten.

Wie so oft im Motorsport, kommt es meist anders als geplant. Die FIA Vertreter der Hill Climb Master gingen einfach davon aus, dass wir den BMW einfach in der Stadtmitte als Publikumsmagnet ausstellen und fertig. War doch Georg in der italienischen Motorsportcommunity einer der beliebtesten Akteure und Italien war in gewisser Weise fast schon seine Wahlheimat. Bereits beim ersten Telefonat um den Auftritt in Gubbio in konkrete Taten umzusetzen, überraschte  Teammanager Oliver Scherbaum den FIA Ansprechpartner Vincent Caro mit seiner Frage, in welcher Klasse denn der BMW in Gubbio starten dürfe. Schließlich war ja Georg Plasa nie für die Show zu haben, sondern ihm ging es ausschließlich um den Sport! Langes Schweigen am anderen Ende der Leitung und Vincent bat um ein wenig Bedenkzeit.

Wenige Tage später erhielten wir für unseren Sportsgeist grünes Licht in Form einer Wild Card. Mille grazie! Der BMW 320 Judd V8 kommt zurück nach Italien – Gänsehaut. Die Vorfreude auf Gubbio wurde von unseren „Technokraten“ ein wenig getrübt. Schließlich mussten noch jede Menge Teile am Rennwagen in die Revision gehen, da ja selbst in Goodwood Jörg beinahe nur mit „Halbgas“ fahren konnte und ohne Renn-ABS und Traktionskontrolle in Goodwood über die Strecke „pflügte“. Dazu kam, dass noch das eine oder andere Ersatzteil noch gar nicht bestellt war und an dem BMW im Grunde immer nur nach Feierabend gearbeitet werden konnte. Egal! Dann gab es eben Nachtschichten und man durfte während der Arbeitszeit am Judd schrauben, schließlich rief Bella Italia!

Trotz allem konnten wir erst am Tag der Abreise den BMW 320 Judd V8 soweit vorbereiten, dass wir noch einmal nach Boxberg aufs Boschtestgelände konnten, um die letzten Arbeiten zu überprüfen. Nach dem erfolgreichen Testen ging es mit dem KW Truck am frühen Abend endlich Richtung Umbrien. Keine 200 km später auf der Autobahn. Ein Knall. Wollte wirklich ein Reifenschaden uns noch einen Strich durch die Rechnung machen? Durch den ungeplanten Zwischenstopp kam unser KW Truck ein wenig später in Gubbio an. Aber noch rechtzeitig.

Bereits als wir an unserem Truck das Vordach vor historischer Kulisse in der Altstadt von Gubbio aufbauten, flanierten die ersten Fans an unserem mobilen Paddock. Auch zahlreiche Bergsportler, die sich früher mit Georg heiße Duelle um die Bestzeiten lieferten, konnten es kaum erwarten, den BMW 320 Judd V8 endlich wieder live zu sehen.

Ein Fest fürs Herz, und voller Wehmut erinnerten wir uns bei den Benzingesprächen an die legendären Zeiten mit Georg am Berg. Auch Reto Meisel, Freund, Weggefährte und einer von Georgs härtesten Verfolgern am Berg, hatte einen Kloß im Hals, als er den BMW 320 Judd V8 aus nächster Nähe betrachtete. Leider klappte es nicht für ein Gruppenbild mit Georgs BMW und Reto’s Mercedes SLK Judd V8.

Nach der ersten Streckenbesichtigung und den letzten Vorbereitungen für den Samstag ging es in aller Herrgottsfrühe mit dem BMW in Richtung Start. Der Start liegt auf 556 Meter über den Meeresspiegel. Bereits seit 1966 werden in Gubbio Bergrennen veranstaltet und 2018 feierte für das FIA Hill Climb Masters ein neues Streckenlayout Premiere. Das war schon ein sehr bewegendes Gefühl mit dem Judd im Vorstart zu stehen und nicht nur im Fahrerlager zu parken.

Auf insgesamt 3,3 Kilometern Länge schraubt sich der neue Kurs mit einer Abfolge von fast ausschließlich schnellen Kurven und fast keinen dazwischenliegenden Geraden sowie vier Haarnadelkurven und zig Vollgasbögen ins Ziel.

Dabei müssen die Bergrennsportler 221 Höhenmeter mit einer durchschnittlichen Steigung von 6,1 Prozent überwinden – das ideale Pflaster für den BMW 320 Judd V8 des „Never-Forget-Tribute-To-Georg-Plasa-KW-Teams“.

Mit dem neuen Streckenlayout konnte sich auch gleich Fahrer Jörg anfreunden und sorgte bereits im Training für starke Zeiten. Mit einer Zeit von 1.31.93 Minuten verabschiedete sich der BMW aus dem zweiten Training als schnellster Tourenwagen des gesamten Feldes aus dem Übungstag – und das noch bei zig Kinderkrankheiten am Fahrzeug! Georgs Rennwagen auf Basis eines 28 Jahre alten Chassis konnte unglaublicher Weise mit der aktuellen Crème de la Crème des FIA Hill Climb Masters mithalten.

In der Nacht von Samstag auf Sonntag herrschte reges Treiben in unserem mobilen Fahrerlager und die Technikcrew mit Martin Burmeister, Andreas Weber, Matthias Ovelhey, Felix Hälsig und Bernd Leykauf bereiteten den BMW auf den Rennsonntag vor, wobei es sehr spät wurde.

Der nächste Morgen. Es wurde ernst, der erste Wertungslauf stand an und bei uns stieg die Spannung bis ins Unermessliche. Dann schaltete die Ampel auf Grün und mit seinem einmaligen Sound, verstärkt durchs Echo der Berge, startete der Judd. Spätestens jetzt war es fast wie früher. Der 320 am Berg. In Italien. Unbeschreiblich. Wir machten uns schon Gedanken wie schnell wir heute sein werden, und wie uns Georg von oben zusehen würde, mit einem Grinsen im Gesicht!

Aber es sah leider nicht gut aus. Jörg und der BMW quälten sich mit extremem Schlupf den Berg hoch. Unsere Kollegen am Vorstart beobachten noch Funken unter dem Auto und ahnten nichts Gutes. Kaum war Jörg um die erste Kurve gebogen, sah und hörte unsere Vorstartcrew nichts mehr. Sie hatten genauso wie wir unten in der Stadtmitte am KW Truck keinen Funk. Keiner wusste, was los ist. Und so blieb uns nichts anderes übrig, als abzuwarten.

Plötzlich rief einer der Zuschauer an unserem Truck, der den Livestream auf seinem Smartphone verfolgte, die Hiobsbotschaft, nichts geht mehr und der BMW stünde. Nix geht mehr. Ausfall. Zefix.

Aber das gehört eben zum Sport. Und man hatte ja noch am Sonntag einen zweiten Lauf vor sich. Nach einer schieren Unendlichkeit kam der BMW mit Jörg am KW Truck in der Stadtmitte, rund zwei Kilometer von der Startlinie entfernt, an.

Die Crew verschwand in den Eingeweiden des BMWs und suchte fieberhaft nach einer Lösung, um den Rennwagen rechtzeitig vor dem zweiten Lauf wieder notdürftig „zusammenflicken“ zu können. Die Gesichter von Andreas Weber und Martin Burmeister verrieten es. Nichts zu machen. Aus. Vorbei. Kein Gipfelsturm. Schade. Aber so ist eben Motorsport.

Wir gratulieren den Siegern Lucio Perggini, Christian Merli, Roger Schnellmann, Will Hall und dem Team Luxemburg zum Gewinn des Nations Cups. Auch wenn wir leider in Gubbio frühzeitig ausfielen und die Enttäuschung bei uns groß war, haben wir echten Kampfgeist bewiesen.

Ein großes Dankeschön an alle Fans und ein großes Lob an den Veranstalter, wir kommen wieder. Never forget.

Fotos Hillclimbfans, Privat

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