Leidenschaft trifft Perfektion: ein Escort wie aus dem Bilderbuch

Viele unserer Kollegen und Mitarbeiter in der “KW Familie” haben mehr oder weniger hochoktaniges Benzin im Blut und bei uns in Fichtenberg gibt es einen Kollegen, für den sein Auto beinahe alles ist.

Manche von Euch wissen vielleicht jetzt auf Anhieb von wem die Rede ist, wenn nicht, dann versuche ich Euch den Kollegen kurz vorzustellen. Am besten geht das aber mit seinem Auto.

Auto, ist aber ziemlich untertrieben. Denn es dreht sich hier um nichts geringeres als um einen Ford Escort RS2000 MkI von 1970. Es ist der berühmte “Hundeknochen” von Andreas Kokor.

In diesem Ford stecken mehr von Andreas Blut, Schweiß und Tränen, als vermutlich jeder von uns jemals in unserem Leben einer Sache widmen würde. Solltet ihr dem Ford einmal in einem Fahrerlager begegnen, wisst ihr auf Anhieb was ich damit sagen will.

Der Wagen ist perfekt und was den alten Haudegen mit seinen vier BBS Rädern dabei so perfekt macht, ist einfach die Tatsache, dass Andreas’ Escort nicht irgendwo in einer Autosammlung verstaubt, sondern während der Berg-Saison auch gefahren wird – solange Petrus oder welcher Wetterfrosch auch immer bei Kokors’ Gipfelstürmen mitspielt.

Im Regen hat Andreas leider schon einmal einen Escort verloren und dies ist auch einer der Gründe warum unter einer Plane seit über zehn Jahren das Unfallopfer seinen Dornröschenschlaf hält. Auf regennasser und ölverschmierter Fahrbahn schmierte Startnummer 398 ab und Andreas wurde mehr oder weniger zum hilflosen Passagier. Das Ende der Rutschpartie war eine Kaltverformung, die den Rennwagen irreparabel machte.

Anstatt in Selbstmitleid zu verfallen und das abnehmbare Sportlenkrad an den Nagel zu hängen, krempelte Andreas die Ärmel hoch – er wusste, er musste zurück auf die Strecke und natürlich wieder in einem Ford Escort MkI.

Andreas’ ist ein echtes “KW-Urgestein” und der gelernte Kfz-Mechaniker versteckte unter der rot-weiß-grünen Lackierung seines Ford Escort jede Menge ausgefallene und technische Überraschungen die niemand bei einem im Grunde 48 Jahre alten Rennwagen erwartet.

Basis des “neuen” Escort bildet eine leergeräumte Rohkarosse von RSK Motorsport die nur an der einen oder anderen Stelle mit leichtem Rost gestraft war. Kurzerhand wurde die rote Pest mit dem Schweißbrenner und neuen Einschweißblechen ausgemerzt, damit bloß keine Rostherde entstehen können. Die Bleche fertigte der gelernte Kfz-Mechaniker natürlich selbst an, wie etwa die “Metallpflaster” für Unterboden, Motorraum und selbst die gesamten inneren Radäufe sind ein Eigenbau.

Die FIA-zertifizierte Sicherheitszelle stammt von Custom Cages und nachdem sie eingeschweißt war, wurde der gesamte Ford in einem leuchtenden Brillantweiß lackiert.

Auch Andreas beherrscht die reine Lehre des Sportwagenbaus und hat an seinem Ford die beste Weisheit von Colin Chapman: “Simplify, then add lightness” verinnerlicht. Die Türen, die Motorhaube und der Kofferraumdeckel wurden gegen leichte Kohlefaser ersetzt. Die Frontschürze ist aus glasfaserverstärktem Kunststoff gefertigt. Überall wo es möglich war, setzte der Mechaniker auf Leichtbau.

Auch der einstellbare Frontsplitter sowie der verstellbare Heckflügel sind ein reiner Eigenbau den Andreas gemeinsam mit seinen Freunden einfach selbst entwarfen und anfertigten – viele dagegen schaffen es ja nicht einmal den richtigen Sprit zu tanken oder einzuparken.

 

Die Lackierung mit den grünroten Racingstreifen ist eine Hommage an den legendären Zakspeed Castrol Escort, der beinahe alle originalen Logos und Embleme der damaligen Sponsoren wie Orden auf seinem Blech trägt.

Natürlich hatte der originale Zakspeed-Escort nicht so ein übermächtiges Luftleitwerk bzw. damals überhaupt gar keinen Flügel, aber Andreas’ Escort ist eben ein sehr schneller “Berg-Athlet” und ist auf den Anpressdruck angewiesen…

Ein Bild, das Bände spricht und eigentlich mit am besten die Akribie an diesem ganz besonderen Ford Escort einfängt. Die Rede ist jetzt nicht davon, dass die Nockenwellenräder von Kent Cams fast denselben Farbton haben wie die Schlauchschraube oder der Ventildeckel. Auch die offenen Einzeldrosselklappen oder den gülden leuchtenden Fächerkrümmer meine ich nicht.

Vielleicht hilft erst das gesamte Bild des Motorraums: Der in den Ford Escort Mk 1 implantierte Zwoliter-Turbo-Vierzylinder stammt eigentlich aus dem Sierra RS Cosworth und leistete dank eines Cosworth 16V-Zylinderkopfs und Garrett-Turboladers 204 PS. Heute hat der YB-Motor überhaupt gar keinen Ladedruck mehr.

Der Cosworth-Motor wurde von Andreas einfach auf einen klassischen Sauger umgebaut. Unter Escort-Enthusiasten ist dieser “Engine-Swap” äußerst populär, da es einfacher ist als ein Escort BDA-Triebwerk zu finden geschweige denn Instandhalten zu können.

In gewisser Weise ähneln die YB-Motoren in ihrer Charakteristik dem RS1600 BDA-Cossi-Triebwerk aus den frühen Siebziger Jahren. Vor allem wenn man einfach auf den “neumodischen Schnickschnack” wie einem Turbolader verzichtet. Dass unter der Leichtbauhaube der Vierzylindermotor so gut klingt ist wohl auch der offenen Jenvey Einzeldrosselklappenanlage mit ihren 90 mm Trichtern zu verdanken.

Dieser wunderschöne Krümmer ist eine Sonderanfertigung von SPD Exhaust, aber was noch viel schöner als die gesamte Optik im Motorraum ist, ist einfach der unverfälschte Klang des hochdrehenden 16-Ventilers.

Beeindruckend ist natürlich die aktuelle Motorleistung des von Andreas komplett technisch überarbeiteten YB-Vierzylinders. 1986 lief er mit einer Motorleistung von 200 PS samt Turbolader vom Band, heute dreht er bis jenseits der 9000 Touren und wuchtet bei 9300 Touren 280 PS in den Antriebsstrang – ein BMW M3 (E30) Sport Evolution hatte bei einem Hubraum von 2,5 Litern 238 PS Leistung …

Als uns damals Paddy von Speedhunters besuchte war der Escort leider nicht fahrbereit, da das sequentielle Quaife 69G Getriebe zur Revision nach Großbritannien eingeschickt war.

Bei diesem “Schaltgestänge” zwischen Gaspedal und Schalthebel handelt es sich um eine Art automatisiertes “Zwischengas” und Andreas spart sich so beim Herunterschalten das übliche Zwischengasgeben. Ähnliche Systeme kennt man ja aus verschiedenen “modernen” Cup-Fahrzeugen.

Beim Interieur geht es einfach aber konsequent zur Sache. Zwar kann es Andreas nicht mehr hören, dass ich mich jeden Tag aufs neue bei ihm beschwere, weil er nur einen Recaro Vollschalensitz in seinen Escort einbaute.

Aber ich an seiner Stelle hätte es genauso getan, der Ford ist einfach viel zu schade, um für Taxifahrten missbraucht zu werden. Der RS ist eine Fahrmaschine und was für eine. Dementsprechend zielführend geht es auch bei der Inneneinrichtung zur Sache.

 

Im linken Bild seht ihr, dass das Sparco Sportlenkrad ziemlich “ausgefuchst” in verschiedenen Höhen positioniert werden kann. Während andere ihre Cockpits mit Armaturen überfrachten lässt es Andreas – und hier kommt wieder die Chapman’sche Lehre “Simply, then add lightness” voll zu ihrem Einsatz – bei einem digitalen Stack-Cockpit samt analogen Drehzahlmesser (mit 0 – 10000er Skalierung) und weiter oben positionierte Andreas noch eine Schaltanzeige.

Abgerundet wird die Inneneinrichtung mit jeder Menge leichter Kohlefaserverkleidungen, Feuerlöscher und Rennsport-Batterie.

Beschleunigung ist natürlich das Eine, noch wichtiger ist aber – nicht nur im Motorsport – die Fahrzeugbeherrschung. Damit der Escort beispielsweise seine unbändige Kraft kontrollierbar auf die Straße bekommt, hat Andreas die Serienachsgeometrie mehr als nur ein bisschen optimiert.

Am besten fange ich an meinem persönlichen Highlight an: die umgebaute Antriebsachse. Der alte “Hundeknochen” musste vor über 45 Jahren noch mit einer starren Hinterachse, samt Blattfedern, schräg stehenden Dämpfern und am Anfang noch ohne Längslenker auskommen. Andreas konstruierte dagegen eine Vierlenkerachse samt Querlenker mit Federbeinen.

Ein Eigenbau ist auch die Vorderachse. Das besondere sind dabei nicht die MacPherson-Federbeine, die hatte der Escort schon damals, sondern Andreas tüftelte eine Achse mit einem Lenkrollhalbmesser von “Null” und so hat der Escort eine stoßfreie Lenkung. Da die Achsen natürlich voll einstellbar, um beim Fahrwerksetup absolut freie Hand zu haben.

 

Beim Fahrwerk setzt Andreas natürlich auf ein KW Competition Rennsportfahrwerk mit dreifach leistungseinstellbaren Dämpfern in Upsidedown-Ausführung. Mit diesem Fahrwerk hat der Escort-Pilot und seine fleißigen Helfer bei der Fahrwerkabstimmung genauso viel Spielraum wie die Porsche-Teams mit ihren 911 GT3 R Rennwagen.

Schraubt man Andreas nicht an seinem Ford und ist der RS bereit für einen Renneinsatz ist der Unterboden natürlich mit Kohlefaser verkleidet und ein Diffusor sorgt noch für Abtrieb.

Gezügelt wird Andreas’ Ford über eine Wilwood-Vierkolbenbremsanlage mit 247 mm großen Scheiben an der Vorderachse. An der Hinterachse handelt es sich bei der Bremse um eine Dynalite 4-Kolbenanlage mit 240 mm großen Wilwood Scheiben. Über die Burton Power Pedalbox kann die Bremskraftverteilung individuell eingestellt werden.

Damit der zeitgenössische Charakter definitiv nicht zu kurz kommt, drehen sich unter den breiten Radhäusern wunderschöne BBS E50 Kreuzspeichen-Motorsportfelgen in 10 x 15 Zoll.

An der Antriebsachse messen sie 11 x 15 Zoll und alle vier BBS Felgen sind von Avon Slicks in den Modelmaßen 10.7-21.5 umhüllt.  Das Andreas immer nur zwei Radschrauben anzieht, ist schnell erklärt: Dann tut er sich beim Schrauben einfacher und muss nicht ständig die Radmuttern lösen.

Wie viele Stunden Andreas in den Escort investiert hat, weiß er eigentlich gar nicht so genau. Im Groben und Ganzen hat der Ford rund sechs Jahre auf der Hebebühne verbracht, um sich von einer Rohkarosse in einen der wohl perfektesten Bergrennwagen auf Basis eines Ford Escorts zu verwandeln.

Ich kann es einfach nicht oft genug wiederholen, dieser Escort ist ein Auto wie ich es in den letzten 20 Jahren nur ganz wenige gesehen habe. Es stimmt einfach jedes Detail und an jeder Schraube und jedem Bauteil sieht man, dass die Funktion im Mittelpunkt steht.

Der Escort ist ein klassischer Rennwagen, der klassisch modernisiert wurde und dabei kein bisschen von seinem Charme verloren hat, sondern durch die Akribie mit der Andreas den Ford hegt, pflegt, verbessert und auch immer wieder fährt macht den “AK Competition Escort” einfach so besonders. Den RS fast jeden Freitagspätnachmittag in unserer Prototypenwerkstatt auf der Hebebühne “parken” zu sehen ist für jeden eingefleischten Petrolhead immer das Highlight der Woche.

Fotos Speedhunters Paddy McGrath

Related Posts