Durchgeknallt? Mit einem Scion FR-S bei der Targa Neufundland

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Wer regelmäßig auf unserem Blog vorbeisurft, hat sicher schon einmal von der Speed Academy gelesen. Dahinter stecken die beiden Journalisten, Blogger und ehemaligen Redakteure Dave Pratte und Peter Tarach beim leider eingestellten Modified Magazine. In der Vergangenheit waren sie schon öfters bei uns in Fichtenberg und lieferten uns die coolste Blogstory des Jahres.

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Im kanadischen Indianersommer nahmen die zwei mit einem Scion FR-S mit KW Clubsport Gewindefahrwerk an der Targa Neufundland teil. Eine Herzensangelegenheit für die Beiden. Haben sie doch auch wie wir mehr als 100-oktaniges Benzin im Blut. Während wir hier in Deutschland mit moderaten Geschwindigkeitsbeschränkungen und tempolimitfreien Autobahn(teil)stücken in unserem Drang nach automobile Freiheit kaum eingebremst werden, sieht es im Ausland ganz anders aus. In Kanada und den USA hilft eigentlich nur der regelmäßige Ausflug auf eine Rundstrecke, um Gas geben zu können oder man ist ein ganz harter Kerl oder toughe Frau und startet bei der Targa in Neufundland.

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Targa? Noch nie gehört oder habt ihr jetzt den Porsche Targa im Sinn. Dann liegt ihr ein wenig falsch. Bei Targas handelt es sich im Grunde um Langstreckenrennen auf öffentlichen Straßen. Ganz so wie in den guten alten Zeiten als noch keine Versicherungsgesellschaften, Anwälte und Vermarktungsmaschinerien dem sportlichen Fahrspaß einen Strich durch die Rechnung machten. Die erste Targa war übrigens die Targa Florio, die von 1906 bis 1977 fast jedes Jahr teilweise mit WM-Status für Sportwagen in Sizilien veranstaltet wurde. Nachdem zwei Zuschauer durch einen tragischen Unfall ums Leben kamen, wurde der Urvater der Targas zu einer Rallye umorganisiert, die auch heute noch gefahren wird. Aber jetzt zurück in den Nordosten von Kanada auf die Insel Neufundland.

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Auch dort lebt genauso wie bei der Targa Tasmanien und Targa Neuseeland der Mythos der Ur-Targa fort. An fünf Tagen geht es am Rande des Nirgendswo über einige der schönsten Straßen der Welt. Wie die Veranstalter dort immer wieder ihr Rennen genehmigt bekommen, ist vor allem für von Vorschriften geplagten EU-Bürgern ein Rätsel. Am Ende zählt aber in Neufundland, dass die Straßen für den öffentlichen Verkehr gesperrt sind und jeder Teilnehmer seinem fahrerischen Können entsprechend Vollgas geben kann. Ohne dabei in den Wald abzufliegen oder ins Meer zu schießen, wie es vor einigen Jahren einem Ferrari-Fahrer in Neufundland passierte.

Dave und Peter wollten schon immer einmal bei der Targa Neufundland dabei sein. Jahrelang fragen sie bei verschiedenen Autoherstellern an, der keine Bedenken dagegen hat, dass das Auto für die Targa auseinander gepflückt wird oder im schlimmsten Fall ein Totalschaden wird.

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Anfang 2014 gab Scion Kanada gemeinsam mit Scion Racing den beiden Targa-Neulingen tatsächlich grünes Licht. Endlich konnten die Macher des Speed Academy Blogs mit Tempo 180 durch Fischerdörfer jagen und noch besser über kaum einsehbare Kuppen springen.

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Der Deal mit Scion war eigentlich ganz einfach. Dave und Peter bekommen neben einem ausrangierten Scion FR-S aus der FR-S Tuner Challenge noch ein kleines Reisebudget und kümmern sich um den Rest. Leider war die Sache am Ende komplizierter. Der gesponserte Wagen hatte schon mal eine bessere Zeit gehabt und war wohl auf die Schnelle wieder in den Serienzustand zurückgerüstet worden. Die anfängliche Vorfreude über den bereits installierten Käfig verflog schnell. Er war mehr Show und auch den Rest im Auto mussten Dave und Peter gegen langstreckentaugliches Zubehör (Schalensitze, H-Gurte, Bremsen, KW Fahrwerk, …) ersetzen. So blieben vor dem Verschiffen nach Neufundland eigentlich nur noch zwei Tage, um den mit einem KW Clubsport Gewindefahrwerk, Volk Racing CE28RT Rädern und Yokohama Advan AD08 R Reifen ausgerüsteten Scion zu testen. Der FR-S bestand die Tests mit Bravour.

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Mitte September kamen Dave und Peter auf Neufundland an. Während das raue Nordatlantikklima die Beiden nicht willkommen hieß, trafen sie auf umso freundlichere und vor allem hilfsbereitere Menschen.

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Aber gleich von Anfang war den Beiden in Neufundland klar, dass sie bei ihrer ersten Targa-Teilnahme froh sein sollten, wenn sie überhaupt im Ziel ankommen. Ohne Streckenkenntnis und kaum Erfahrung wie man die „Streckenbibel“ richtig liest, waren Dave und Peter sowieso chancenlos.

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Auf jeden Fall wollten die beiden nicht den typischen Fehler so mancher besser betuchten Z-Prominenz tun. Mit einem brandneuen Supersportwagen anzurauschen und den Wagen gleich am ersten Tag abzuschießen. Bei der fünf Tage langen Veranstaltung fällt sowieso etwa ein Drittel des Starterfelds aus.

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Am ersten Tag zog Dave das Los und durfte am frühen Morgen ans Steuer. Der Plan war simpel. Dave fährt am Vormittag und Peter übernimmt dann immer die Nachmittagsschicht. Warum? Dave leidet tatsächlich an der Reisekrankheit und wollte lieber nicht mit vollen Magen der Fahrer sein. Ein Fehler, denn er kam mit der Roadmap noch weniger zurecht als Peter.

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Bei der ersten Wertungsprüfung regnete es und so war das Fahren ein wenig entspannter. Klingt komisch, ist aber so. Bei Regen erlaubt das Reglement ein größeres Zeitfenster für die einzelnen Wertungsprüfungen. Aber unsere beiden Targa-Rookies wussten zunächst nicht einmal, wie groß die Zeitfenster eigentlich sind, und hofften einfach nur das Beste …

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Am Ende des Tagesziels wurden die beiden aber erst einmal mit einer 13-Sekunden-Strafe für die erste Wertungsprüfung empfangen und auch Peter wurde noch eine 6-Sekunden-Strafe für sein „langsames“ Fahren aufgebrummt. Aber eigentlich dachten sie, sie hätten Zeit gut gemacht und an den ersten Tagen sind die Wertungsprüfungen noch leicht. Ihre Definition von „Leicht“ war eben eine ganz andere, als das was der Veranstalter unter „Piece of Cake“ versteht. Auf jeden Fall lernten die Zwei dabei die Notwendigkeit kennen, dass man bei jeder Wertungsprüfung seine exakte Startzeit und Ankunftszeit notiert. So konnten sie wenigstens selbst ausrechnen, ob sie noch in der Zeit liegen.

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Mit einem unzufriedenen siebten Platz bei neun startenden Fahrzeugen in ihrer Klasse trösteten sie sich, dass eigentlich nur das Ankommen zählt. Aber am nächsten Morgen gaben Dave und Peter dem FR-S die Sporen und waren fast dabei, als Fünfte anzukommen. Aber die Rechnung ging nicht auf.

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Bei der vorletzten Tagesetappe bemerkte Peter ein Klappern, das anscheinend irgendwo von hinten kam. Dave meinte dazu nur lapidar, das wäre das lose gewordene Werkzeug. Nach einem scharfen Anbremsen wurde das Klappern immer lauter und die beiden legten nach der Wertungsprüfung einen Stopp ein. Mysteriöserweise haben unsere „Helden“ sogar keine Strafzeit erhalten, und da sie ein technisches Problem meldeten, kamen sie mit einem blauen Auge davon.

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Als sie unter den Scion schauten, haben sie den lärmenden „Übeltäter“ gleich entdeckt. Die Befestigung für die hintere Spurstange war abgerissen. Zum Glück war die „Sollbruchstelle“ halbwegs gerade und so konnte bei einem lokalen Mechaniker eine „Eigenbau-Befestigung“ angeschweißt werden. Um auch auf der anderen Seite einer „Sollbruchstelle“ vorzubeugen, wurde ebenfalls eine „Eigenbau-Befestigung“ angeschweißt.

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Am dritten Tag hatten Dave und Peter ein etwas flaues Gefühl im Magen. Wird der Wagen halten? Sollen sie wirklich weiterfahren? Kamen doch jetzt die krassen Passagen der Targa Neufundland. Vor allem die Prüfung am „North Harbour“ hatte es in sich. In Neufundland wird jede Prüfung viermal gefahren. Normalerweise zweimal im und zweimal gegen den Uhrzeigersinn. Die erste Wertungsprüfung am Hafen musste aber von allen nur insgesamt zweimal gefahren werden.

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Die Reparatur schien zu halten und Peters erste Wertungsprüfung am Nachmittag war „Trinity“. Das war die erste Wertungsprüfung der Targa mit engen Passagen in einem kleinen Städtchen und es ging sogar in die Altstadt von Trinity. Der Ort ist einer der ältesten Siedlungsstätten in Nordamerika.

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Der FR-S war hier mit seinem KW Clubsport Fahrwerk ganz in seinem Element. Enge 90-Grad-Kurven, Haarnadeln und weiße Gartenzäune als Auslaufzone. Es war beinahe surreal. Die zwei hatten nur ein Problem. Peter hat vergessen sein Fenster zu schließen und sie bekamen dafür eine 10-Sekunden-Strafe. Aha!

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Am späten Nachmittag wurde es noch anspruchsvoller und Peter musste mit viel Fingerspitzengefühl dieses enge Minenfeld an Bordsteinkanten, Begrenzungspfosten und Steinmäuerchen meistern. Sie wollten keine der Felgen einem Bordstein opfern. Obwohl sie nun etwas langsamer angreifen mussten, ging es den Topteams auch nicht besser. Mit ihren Rallye-Monstern waren sie ganz klar im Vorteil und konnten ihre Überlegenheit ziemlich ausspielen. Aber als Dave und Peter an einem auf dem Dach liegenden Mitsubsihi Evo X vorbeifuhren, waren sie heilfroh, dass sie etwas langsamer unterwegs waren. Den dritten Tag erreichten sie als Klassensechster.

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Aber Wertungsprüfungen wie in Trinity oder die schnellen Passagen direkt an der Küste mit dem grandiosen Blick auf den Atlantik lassen die Tortur der Targa schnell vergessen. Am Mittwochabend gab Team-Mechaniker Andrew DeLaCour nach seinem Check grünes Licht und am nächsten Morgen setzten Dave und Peter alles auf Angriff!

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Und die Beiden haben wohl den perfekten Tag erwischt. Die Wertungsprüfungen waren ganz nach ihrem Geschmack. Schnelle Landstraßen mit in die Unendlichkeit gezogene Kurven, zahlreiche Kuppen, Täler und natürlich noch Warnschildern, dass eventuell Elche die Straße kreuzen könnten. Durch die verwinkelten Sträßchen in den Ortschaften ging es meist nur im ersten und zweiten Gang. Wie Peter den FR-S antreibt könnt ihr hier in diesem Video erleben:

Aber auch die anderen Teams scheinen nun mehr aufs Tempo zu drücken. Einige verabschiedeten sich dabei in die Tiefen der Wälder. Und beim schnellsten Fahrzeug in Daves und Peters Klasse, gab es einen Totalschaden. Von dem  Material-Massaker und den Ausfällen profitierten natürlich unsere „Scion-Helden“ und konnten ganze 34 Sekunden aufholen. Dadurch waren sie plötzlich auf dem dritten Klassenplatz und auf Position 6 im Gesamtklassement – unglaublich, was ein einziger Targa-Tag rausreißen kann.

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Zunächst begann der fünfte Tag ziemlich langsam. Dave hatte irgendwie nicht gut geschlafen und konnte dennoch auf den Tagesdritten in der Klasse, dem Mini Cooper S JCW vom Targa-Veteranen Doug Mepham, um zehn Sekunden aufschließen.

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Immer noch am Steuer, wurde Dave langsam wach und vor allem schneller. Dabei dachte er, er wird langsamer. Am Ende seines Turns hatte er weitere 19 Sekunden gut gemacht und war eigentlich nur fünf Sekunden vom dritten Klassenplatz entfernt.

Nun war endlich Peter an der Reihe. Und da er schon über die ganze Woche in den Ortschaften glänzen konnte, war es umso besser für die Zwei, dass das Finale im 694 Seelendorf Brigus endete. Eigentlich heißt es bei den Targa-Veteranen immer, dass man in Brigus eher froh sein sollte, seine Zeit zu halten. Aber Peter fuhr, als würde es kein Morgen mehr geben.

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Dave wurde es auf dem Beifahrersitz langsam Angst. Peter sagte kein Wort und drückte einfach nur aufs Gas. Die Streckenführung ähnelte dabei etwas mehr einem Gymkhana-Kurs als einer Targa-Wertungsprüfung. Und Dave konnte durch die schnellen Richtungswechsel und Drifts gar nicht mehr die Streckenbibel ablesen.

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Nach jeder Wertungsprüfung hat man zwar seine eigene Zeit bei der Targa in Neufundland, aber die Zeiten der Wettbewerber kann man meist immer nur etwa zwei Stunden nach Prüfungsende auf der Website ablesen. Als der Scion FR-S mit Dave und Peter über die Ziellinie in Brigus schoss, wussten sie noch nicht, dass sie den dritten Klassenplatz erobert und dazu noch den Markenpokal für Scion unter den Nagel gerissen hatten.

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Umso größer war dann die Freude. Denn die beiden waren zum ersten Mal bei der Targa Neufundland am Start und nach den ersten Freudentänzen ging es zurück ans Steuer. Das offizielle „Fotoziellinien-Finish“ war im knapp 90 km entfernten St. Johns. Auf dem Weg dorthin meldete sich Teammanager Vinh Pham und informierte Dave und Peter, dass sie sogar auf dem sechsten Platz im Gesamtklassement gelandet sind.

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Im Rückblick konnte es für die beiden Targa-Rookies in Neufundland einfach nicht besser gelaufen sein. Im Nachhinein konnte die Woche in Neufundland für die beiden Scion-Fahrer nicht besser gelaufen sein.

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Dave und Peter können nun alle Targa-Fans verstehen, immer wieder die lange Anreise nach Neufundland auf sich nehmen. Die Straßen, die Landschaft und die gesamte Atmosphäre sind einmalig. Höchstens die Targa Tasmanien oder die Targa Neuseeland sind vergleichbar mit diesem kanadischen Abenteuer…

Fotos Daniel Olivares und Raulph Saulnier

Text Peter Tarach, Dave Pratte

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